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  • Aktuelle Rechtssprechung


WAS GEHT VOR: DIE EINWILLIGUNG DER GESETZLICHEN BETREUUNGSPERSON IN EINE ZWANGSBEHANDLUNG ODER DIE PATIENTENVERFÜGUNG?

12.09.2025 – (Aktuelle Rechtsprechung)

Eine Patientenverfügung im Sinne von § 1827 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) steht der Einwilligung des Betreuers in eine ärztliche Zwangsmaßnahme entgegen, wenn sie wirksam errichtet wurde, eine Regelung zu Zwangsbehandlungen enthält und auch in der konkreten Behandlungssituation Geltung beanspruchen soll.

Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 05.02.2025, Az. XII ZB 547/24

Das ist passiert

Eine Frau, die an einer paranoiden Schizophrenie leidet, war seit 2021 mehrfach nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften geschützt untergebracht. Im September 2022 errichtete sie eine Patientenverfügung, in der es unter anderem heißt: „Weitere Verfügung zur allgemeinen Medikamentengabe auch ohne bevorstehenden Sterbeprozess: Aufgrund einer fraglich diagnostizierten Vorerkrankung (ohne standardisierte Erkennungsmerkmale) lehne ich grundsätzlich die Einnahme von Neuroleptika und Antidepressiva ab, außer im Fall von später diagnostiziertem Parkinson.“

Auf Antrag ihrer Betreuerin hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 27.09.2024 auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens die Unterbringung der Betroffenen in der geschützten Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses oder einer sozialtherapeutischen Wohnstätte bis längstens zum 26.03.2025 und die Einwilligung der Betreuerin in eine ärztliche Zwangsmedikation bis längstens zum 07.11.2024 genehmigt. 

Das Landgericht hat die Beschwerde der Betroffenen gegen die Unterbringung und gegen die ärztliche Zwangsmaßnahme zurückgewiesen. Hiergegen wendet sie sich mit der Rechtsbeschwerde.

Darum geht es

Es geht darum, festzustellen, ob die Einwilligung der Betreuerin in die Zwangsmedikation rechtens war und ob das Landgericht zu Recht über die Unterbringung entschieden hat.

Die Entscheidung

Die Rechtsbeschwerde der betroffenen Frau hatte Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angegriffenen Entscheidung. Das Beschwerdegericht, also das Landgericht, muss erneut über die Sache entscheiden und dabei zusätzliche Gesichtspunkte berücksichtigen.

Nach § 1832 Abs. 1 Nr. 3 BGB kann der Betreuer in eine ärztliche Zwangsmaßnahme nur dann einwilligen, wenn diese dem nach § 1827 BGB zu beachtenden Willen des Betreuten entspricht. 

Eine Patientenverfügung gemäß § 1827 Abs. 1 Satz 1 BGB steht deshalb der Einwilligung des Betreuers in eine ärztliche Zwangsmaßnahme entgegen, wenn die Patientenverfügung wirksam errichtet wurde, eine Regelung zu Zwangsbehandlungen enthält und auch in der konkreten Behandlungssituation Geltung beansprucht.

Obwohl das Landgericht die Bedeutung einer Patientenverfügung für die Genehmigung einer ärztlichen Zwangsmaßnahme im Grundsatz erkannt hat, hat es die Bindungswirkung der Patientenverfügung mit einer unzureichenden Begründung verneint. 

Das Landgericht argumentierte, dass die Patientenverfügung der Zwangsbehandlung nicht entgegenstünde. Da für den Zeitraum September 2022 ausgeschlossen werden könne, dass die Betroffene nicht geschäftsfähig gewesen sei, müsse die Patientenverfügung zwar als wirksam erachtet werden. Sie sei aber kein Ergebnis rationaler Überlegung, weil die Betroffene nicht in der Lage sei, die Frage der Behandlung rational abzuwägen. Zudem sei die Betroffene nicht krankheitseinsichtig, weshalb sie nicht erkennen könne, dass eine Heilung notwendig sei. 

Gemäß § 1827 Abs. 1 Satz 1 BGB ist für die Wirksamkeit einer Patientenverfügung maßgeblich, ob der Betroffene zum Zeitpunkt ihrer Errichtung einwilligungsfähig ist, mithin über die natürliche Einsichts- und Steuerungsfähigkeit verfügt. Auf die Geschäftsfähigkeit des Betroffenen im Sinne des § 104 BGB kommt es damit nicht an. Das Beschwerdegericht hat das Vorliegen der Geschäftsfähigkeit geprüft und ist zum Ergebnis gelangt, deren Vorliegen – und damit auch das der Einsichtsfähigkeit – sei trotz der Erkrankung nicht auszuschließen. 

Hierzu in unauflösbarem Widerspruch steht jedoch, dass das Beschwerdegericht die Patientenverfügung mit der Begründung für unbeachtlich hält, diese sei kein Ergebnis rationaler Überlegung. Denn damit geht es offensichtlich davon aus, dass es der Betroffenen im maßgeblichen Zeitpunkt der Errichtung der Patientenverfügung an der erforderlichen Einsichtsfähigkeit gefehlt hat.

Das bedeutet die Entscheidung für die Praxis 

Obwohl die Entscheidung noch weitere Aspekte enthält, konzentriert sich diese Besprechung in erster Linie auf das Spannungsverhältnis zwischen Patientenverfügung und der Einwilligung der Betreuerin in die ärztliche Zwangsmaßnahme. Das ist ein interessanter Punkt und es ist vorstellbar, dass Sie sich bei Ihrem Ehrenamt auch in diesem Spannungsfeld wiederfinden können.

Dann denken Sie im besten Fall an diese Entscheidung, die dem Willen der betreuten Person den Vorrang eingeräumt und für die Wirksamkeit der Patientenverfügung auf die natürliche Einsichts- und Steuerungsfähigkeit abgestellt hat.

                                                                               Quelle: Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 05.02.2025, Az. XII ZB 547/24

 

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