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  • Aktuelle Rechtssprechung


GRUNDSÄTZLICH MÜSSEN BETROFFENE AUCH IM BESCHWERDEVERFAHREN PERSÖNLICH ANGEHÖRT WERDEN

06.12.2025 – (Aktuelle Rechtsprechung)

Müssen Menschen in psychischen Ausnahmesituationen zu ihrem eigenen Schutz oder zum Schutz anderer geschützt untergebracht werden, muss vorab grundsätzlich eine persönliche Anhörung der Betroffenen stattfinden. Davon gibt es aber auch Ausnahmen. Macht ein Gericht von einer solchen Ausnahme Gebrauch, muss es in seiner Entscheidung die Gründe hierfür in nachprüfbarer Weise darlegen. 

Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 11.06.2025, Az. XII ZB 183/25 

Das ist passiert

Auf Antrag der Betreuerin genehmigte das Amtsgericht Regensburg nach einer persönlichen Anhörung der Betroffenen zunächst deren Unterbringung in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses bzw. der beschützenden Abteilung einer Pflegeeinrichtung bis höchstens zum 10.02.2025. 

Im November 2024 wurde die Betroffene aus dem Bezirkskrankenhaus in ein Pflegeheim in einem anderen Amtsgerichtsbezirk verlegt. Das eigentlich zuständige Amtsgericht wollte das Verfahren aber nicht übernehmen.

Für die Verlängerung der Unterbringung hat das ursprüngliche Amtsgericht Regensburg ein Gutachten eingeholt und die Betroffene erneut – im Wege der Rechtshilfe – anhören lassen. Am 06.02.2025 hat es die Unterbringung dann bis zum 05.02.2027 genehmigt.

Die Betroffene legte dagegen Beschwerde ein. Das Landgericht Regensburg hat ihre Beschwerde zurückgewiesen, aber die Dauer der Unterbringung verkürzt – nämlich nur bis zum 05.02.2026. Das Landgericht hat die Betroffene nicht angehört.

Gegen diese Entscheidung des Landgerichts wehrt sich die Betroffene nun mit einem weiteren Rechtsmittel (Rechtsbeschwerde).

Darum geht es

Es geht darum, ob und aus welchen Gründen die Rechtsbeschwerde der Betroffenen gegen die Entscheidung des Landgerichts Erfolg hat. 

Die Entscheidung

Die Rechtsbeschwerde der betroffenen Frau hatte Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angegriffenen Entscheidung. Es liegt ein wesentlicher Verfahrensmangel vor, weil das Landgericht die Betroffene im Beschwerdeverfahren nicht erneut angehört hat.

Bevor ein Gericht entscheidet, dass jemand gegen seinen Willen in einer geschlossenen oder besonders gesicherten Einrichtung untergebracht wird, muss es nach § 319 Abs. 1 FamFG (Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit) diese Person persönlich anhören. Diese Pflicht gilt grundsätzlich auch dann, wenn die Entscheidung in der nächsten Instanz – also im Beschwerdeverfahren – überprüft wird (§ 68 Abs. 3 Satz 1 FamFG). 

Es gibt eine Ausnahmeregel: Das Beschwerdegericht darf ausnahmsweise darauf verzichten, die Person noch einmal anzuhören. Das ist aber nur erlaubt, wenn die erste Anhörung durch das vorherige Gericht ordnungsgemäß und ohne Fehler durchgeführt wurde (§ 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG).

Gemessen daran durfte das Landgericht nicht von einer persönlichen Anhörung der Betroffenen absehen, weil die im Wege der Rechtshilfe durchgeführte Anhörung durch das Amtsgericht rechtsfehlerhaft war. § 319 Abs. 4 FamFG bestimmt wortwörtlich: „Verfahrenshandlungen nach Absatz 1 sollen nicht im Wege der Rechtshilfe erfolgen.“ Das heißt, dass persönliche Anhörungen grundsätzlich nicht im Wege der Rechtshilfe durch ein anderes Gericht vorgenommen werden dürfen. Macht das Gericht von der Möglichkeit Gebrauch, die nach § 319 Abs. 1 FamFG notwendigen Verfahrenshandlungen im Wege der Rechtshilfe vornehmen zu lassen, muss es in seiner Entscheidung die Gründe hierfür in nachprüfbarer Weise darlegen. Das ist nicht passiert. 

Das Amtsgericht Regensburg hätte die betroffene Person noch einmal persönlich anhören müssen, um selbst zu prüfen, ob der Gutachter mit seiner Einschätzung recht hat. Außerdem hat sich die Situation der betroffenen Person inzwischen stark verändert, weil sie mittlerweile in ein geschütztes Pflegeheim umgezogen ist. Dadurch sind andere Lebensumstände entstanden. 

Das bedeutet die Entscheidung für die Praxis 

Aus dieser Entscheidung können Sie mitnehmen, dass Sie stets Beschwerde einlegen sollten, wenn die persönliche Anhörung von Betroffenen unterbleibt oder im Wege der Rechtshilfe durchgeführt wurde. Da freiheitsentziehende Maßnahmen so starke Eingriffe in die persönliche Freiheit sind, sollten Gerichte alle Entscheidungen mit größtmöglicher Sorgfalt treffen. 

                                                                               Quelle: Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 11.06.2025, Az. XII ZB 183/25 

 

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